43% offene Stellen trotz Millionen-Investments: So werden Unternehmen zu Talentmagneten

Expertenmeinungen 📣 07. Okt 2025 Autor: Nina Handrup 📣

Fachkräftemangel, wirtschaftliche Unsicherheit und hohe Fluktuation - Unternehmen stehen vor Herausforderungen. Nina Handrup, Expertin für strategisches Employer Branding, Unternehmenskultur und Recruiting, zeigt, warum traditionelle Ansätze scheitern und wie die Synchronisation von authentischer Kulturarbeit, durchdachtem Personalmarketing und modernem Recruiting den Unterschied macht.

Experten Blogpost von Nina Handrup - Employer Branding

Die Millionen-Euro-Employer-Branding-Illusion in der Krisenwirtschaft

Deutsche Unternehmen investieren jährlich hohe Summen in Employer Branding und Recruiting - Budgets reichen vom fünf- bis in den sechsstelligen Bereich pro Unternehmen (vgl. DGFP Recruiting Benchmark 2024). Gleichzeitig zwingen Rezessionsängste, Transformationsdruck und volatile Märkte zu harten Einschnitten: Laut IW-Unternehmenspanel 2025 planen 35% der Unternehmen Stellenabbau, in der Industrie sogar 42% (ZDF/IW). Paradoxerweise melden gleichzeitig 43% der Unternehmen, dass sie offene Stellen nicht besetzen können (DIHK Fachkräftereport 2024/25: DIHK).

Das fatale Dilemma: Gerade in Umbruchphasen verlassen die Besten zuerst das sinkende Schiff. High Performer haben Optionen - sie suchen Stabilität anderswo. Forschung zeigt: Im ersten Jahr nach Einstellung verlassen 35% der Mitarbeitenden ihr Unternehmen wieder - und 37% davon bereits innerhalb der ersten 90 Tage. Diese hohe Frühfluktuation kostet Unternehmen massiv Geld und Know-how (Work Institute Retention Report 2023).

Employer Branding ist keine Schönwetter-Strategie. Gerade in der Krise entscheidet es über Unternehmensüberleben: Wer behält seine Leistungsträger? Wer zieht trotz Unsicherheit neue Experten und Expertinnen an? Wer schafft Vertrauen in turbulenten Zeiten? Die Antwort liegt nicht in oberflächlichen Kampagnen, sondern in authentischem, differenzierendem Employer Branding - orchestriert mit empathischer Kulturarbeit und wirkungsvollen Personalmarketing-Maßnahmen, allen voran kristallklarer Change-Kommunikation und modernem Recruiting, das realistische Erwartungen schafft.

Der fundamentale Denkfehler: Warum Maßnahmen ohne Strategie in der Krise fatal sind - Beispiele aus meiner Praxis

Das Change-Kommunikations-Desaster

Ein Beispiel aus der Beratungspraxis bei Matchfaktor (2024): Ein mittelständischer Zulieferer stand vor der digitalen Transformation. 15% der traditionellen Stellen sollten wegfallen, gleichzeitig suchte man händeringend Software-Entwickler:innen für neue Geschäftsfelder. Die interne Kommunikation? „Wir müssen sparen.". Die externe? „Wir sind Innovationsführer.". Die Recruiting-Strategie? Weiter wie bisher - hochglanzpolierte Stellenanzeigen, die eine heile Welt suggerierten.

Das Resultat: Panik bei den Bestandsmitarbeitenden, Skepsis bei potenziellen Bewerbern und Bewerberinnen. Neue Mitarbeitende kündigten bereits in der Probezeit, weil die Realität nicht dem versprochenen Bild entsprach. Die Restructuring-Kosten explodierten, die Transformation stockte.

Das Symptom-Dilemma verschärft sich in Krisenzeiten

Ein weiteres Fallbeispiel aus dem vergangenen Jahr: Ein Technologieunternehmen stand vor der klassischen Transformation: Vom Hardware-Hersteller zum Service-Provider. Budget wurde gekürzt, Teams umstrukturiert, Unsicherheit grassierte. Die Employer Branding Antwort? Eine „We are family"-Kampagne. Das Recruiting? Suchte weiter „loyale Teamplayer für langfristige Perspektiven".

Die Analyse durch Matchfaktor offenbarte das Problem: Während man extern „Zusammenhalt" kommunizierte, erlebten Mitarbeitende intern Kündigungswellen, eingefrorene Gehälter und gestrichene Weiterbildungen. Bewerber:innen, die mit falschen Erwartungen eingestellt wurden, verließen das Unternehmen frustriert wieder. Diese Diskrepanz zwischen Versprechen und Realität ist in Krisenzeiten besonders toxisch. Laut Gallup Engagement Index 2024 haben nur noch 9% der deutschen Mitarbeitenden eine hohe emotionale Bindung - historischer Tiefstand. Diese mangelnde Bindung kostet deutsche Unternehmen jährlich Milliarden an Produktivitätsverlusten (Gallup Workplace Study 2024).

Zitat von Nina Handrup

Die strategische Systematik erfolgreichen Employer Brandings

Bevor Unternehmen in teure Kampagnen investieren, braucht es ein solides Fundament. Die folgende dreistufige Systematik zeigt, wie Employer Branding strategisch aufgebaut werden muss, um nachhaltig zu wirken.

Phase 1: Die 360-Grad-Analyse

Employer Branding und Unternehmenskultur sind zwei Seiten derselben Medaille. Beides muss zunächst analysiert und verstanden werden:

  • Unternehmensanalyse: Wo stehen wir kulturell und strategisch? Was sind unsere wahren Stärken und Schwächen?
  • Zielgruppenanalyse: Wen brauchen wir? Was erwarten diese Menschen? Wo finden wir sie?
  • Wettbewerbsanalyse: Was bieten andere? Wo können wir uns authentisch differenzieren?

Phase 2: Arbeitgebermarke und EVP definieren

Aus den Erkenntnissen entsteht die Employer Value Proposition - das Versprechen, das wir geben UND halten können. Keine Worthülsen, sondern konkrete, einzigartige Mehrwerte.

Phase 3: Personalmarketing-Orchestrierung

Jetzt erst folgt die Umsetzung in zwei Richtungen - intern und extern (beispielhafte Touchpoints):

➤ Intern (Employee Experience):

  • Führungskommunikation, die Orientierung gibt
  • Compensation & Benefits, die zur Kultur passen
  • Feedbackkultur und Personalentwicklung
  • Events und Rituale, die Identität stiften

➤ Extern (Candidate Journey):

  • Authentisches Recruiting mit realistischen Job-Previews
  • Social Media Präsenz, die echte Einblicke gibt
  • Aktives Reputationsmanagement
  • Karriere-Events, die Kultur erlebbar machen

Die meisten Unternehmen starten bei Phase 3 und wundern sich über ausbleibende Erfolge.

Praxisbeispiele: Wie erfolgreiche Employer Branding Beratung funktioniert

In meiner Beratungspraxis bei Matchfaktor nutze ich verschiedene bewährte Methoden und Tools, die ich je nach Unternehmenssituation individuell einsetze. Die folgenden Beispiele zeigen, wie die drei Phasen der strategischen Systematik in der Praxis umgesetzt werden:

Beispiele aus der 360-Grad-Analyse

  • Avatar Hacking für präzise Zielgruppenanalyse: Statt demografischer Oberflächlichkeit arbeite ich mit psychografischen Tiefenprofilen. Durch Social Listening, Reputationsmanagement-Analysen, interne Umfragen und Interviews sowie ethnografische Beobachtungen entstehen lebendige Zielgruppen-Avatare inkl. Kommunikationsempfehlungen, Benefit-Needs und demografischen Faktoren. Ein Mittelständler erkannte so: Seine Tech-Zielgruppe suchte nicht „Work-Life-Balance", sondern „Work-Life-Integration" - ein feiner, aber entscheidender Unterschied für Recruiting und Retention.
  • Cultural Analytics Dashboard: Ein digitales Tool, das Kulturmuster einmal pro Monat systematisch erfasst. Ein Software-Unternehmen entdeckte damit, dass trotz „Fehlerkultur" im Leitbild 78% der Mitarbeitenden Angst vor Konsequenzen bei Fehlern hatten - ein kritischer Widerspruch, der sofort angegangen wurde.

Beispiele für Arbeitgebermarke & EVP-Entwicklung

  • EVP-Workshop-Reihe mit allen Ebenen: In moderierten Sessions mit Führung, HR und vor allem auch Mitarbeitenden aus verschiedenen Abteilungen entsteht die authentische Employer Value Proposition. Ein Scale-up erkannte dabei: Statt „Startup-Spirit" war ihre wahre Stärke „strukturiertes Wachstum mit Freiräumen" - eine viel glaubwürdigere Positionierung.
  • Competitive Positioning Matrix: Systematische Analyse der Wettbewerber-EVPs. Ein Maschinenbauer fand seinen Sweet Spot: Während alle Konkurrenten „Tradition" oder „Innovation" betonten, positionierte er sich als „Ermöglicher persönlicher Meisterschaft" - und traf damit genau den Nerv seiner Zielgruppe.

Beispiele für Personalmarketing-Orchestrierung

  • Realistic Job Preview im Recruiting: Ein Unternehmen auf dem Weg vom Start-up zum Scale-up integrierte „Day in the Life"-Videos von echten Mitarbeitenden und ehrliche Herausforderungen in den Bewerbungsprozess. Resultat: 30% weniger Bewerbungen, aber 80% höhere Übernahmequote nach der Probezeit.
  • Pre-Boarding Excellence: Systematisches Onboarding beginnt vor dem ersten Tag. Ein Tech-Unternehmen führte ein digitales Pre-Boarding ein: Teamvorstellung per Video, Culture-Buddy-System, erste kleine Einbindung. Die Frühfluktuation sank um 60%.

Die fünf kritischen Erfolgsfaktoren in der Transformation

Aus meiner Erfahrung kristallisieren sich immer wieder dieselben Faktoren heraus, die über Gelingen oder Scheitern einer Unternehmenstransformation entscheiden. Denn nur marktfähige Unternehmen mit starker Kultur und starkem Employer Branding überleben - und genau hier setzt strategisches Employer Branding an. Diese praktischen Learnings zeigen, worauf es in Transformationsphasen wirklich ankommt:

1. Transparenz & psychologische Sicherheit als Fundament

„Wir müssen sparen, aber alles wird gut" - solche Botschaften zerstören Vertrauen nachhaltig. Studien zeigen: 89% der Beschäftigten sehen psychologische Sicherheit als unverzichtbar (McKinsey 2023). Wo sie fehlt, ist die Kündigungsbereitschaft laut BCG (2024) viermal höher.

💡 Take-away: Radikale Ehrlichkeit und ein Klima der Sicherheit sind das Fundament für Vertrauen.

2. CEO-Commitment als Treiber

In Krisenzeiten wollen Mitarbeitende ihre Führung ganz vorne sehen. Wenn der CEO selbst Zahlen und Herausforderungen offen anspricht, wirkt das glaubwürdiger, als wenn HR beschwichtigt. Das Edelman Trust Barometer 2024 zeigt: 69% vertrauen ihrem CEO - doch nur 19% glauben, dass er immer die Wahrheit sagt.

💡 Take-away: Orientierung entsteht, wenn die Spitze sichtbar Verantwortung übernimmt.

3. Systematische Change-Kommunikation

Jede Botschaft muss zur nächsten passen. Von der Kündigungswelle bis zur Neueinstellung - alles muss einer nachvollziehbaren Storyline folgen. Diese Orchestrierung überfordert die meisten internen Teams, die im Krisenmodus arbeiten. Spezialisierte Beratung schafft hier den entscheidenden Hebel: Eine konsistente Narrative, die Unsicherheit in Perspektive verwandelt.

💡 Take-away: Eine klare Storyline macht Wandel nachvollziehbar und gibt Halt.

4. Stabilität in der Bewegung

Paradox aber wahr: Gerade in der Transformation brauchen Menschen Ankerpunkte. Ein Beispiel aus der Beratungspraxis: Ein Unternehmen führte mitten im Stellenabbau „Career Development Talks" für die verbleibenden Mitarbeitenden ein. Signal: „Wer bleibt, in den investieren wir." - Resultat: Fluktuation der High Performer sank um 40%.

💡 Take-away: Wer Sicherheit schafft, bindet Leistungsträger auch in unsicheren Zeiten.

5. Authentizität als Differenzierer

„Wenn alle sparen, alle transformieren, alle digitalisieren" - was macht den Unterschied? Die Unternehmen, die ehrlich kommunizieren, was sie durchmachen und warum es sich lohnt zu bleiben. Ein Tech-Unternehmen warb mitten in der Krise mit: „Ja, wir bauen um. Ja, es wird hart. Aber wer jetzt bei uns einsteigt, gestaltet die Zukunft." Resultat: 200% mehr Bewerbungen von Senior-Experten und -Expertinnen, die genau diese Challenge suchten.

💡 Take-away: Authentizität wirkt wie ein Magnet - gerade auf die richtigen Talente.

Der Weg nach vorn: Von der Erkenntnis zur Exzellenz

Während die Erfolgsfaktoren zeigen, WAS wichtig ist, geht es nun um das WIE - die strategische Herangehensweise und warum die Verbindung von internen und externen Einflüssen den Unterschied macht.

Employer Branding ist ein Gemeinschaftswerk, bei dem alle Stimmen gehört werden müssen - aber orchestriert und strategisch geleitet. Es ist eine Unternehmensaufgabe, die sowohl interne Authentizität als auch externe Einflüsse der Wunsch-Mitarbeiter-Zielgruppen braucht. Die menschliche Komponente ist dabei entscheidend: Mitarbeitende müssen sich in der Arbeitgebermarke wiederfinden, Führungskräfte müssen sie vorleben. Der neutrale Blick von außen und methodisches Know-how helfen dabei, blinde Flecken zu erkennen und professionell zu orchestrieren. Unternehmen, die diese Balance meistern, werden zu Talentmagneten. Die anderen werden zu Durchlauferhitzern für die Konkurrenz.

Die erfolgreichsten Arbeitgebermarken der nächsten Jahre entstehen nicht durch bunte Kampagnen oder hippe Benefits. Sie entstehen durch die konsequente Synchronisation von Kultur, Strategie und Kommunikation - orchestriert von Expertenteams, die wissen, welche Hebel wann gezogen werden müssen.

Der erste Schritt ist immer derselbe: Die schonungslose Analyse des Status Quo. Denn nur wer weiß, wo er wirklich steht, kann den Weg zur Arbeitgebermarke der Zukunft planen.

Der ROI der Transformation: Wenn aus Kosten Investitionen werden

„Das klingt ja alles schön und gut", höre ich oft von Geschäftsführer:innen, „aber rechnet sich das auch?“. Die Theorie ist verstanden, die Notwendigkeit erkannt - doch am Ende zählen harte Zahlen. Zu Recht. Deshalb hier ein konkretes Rechenbeispiel aus einem aktuellen Transformationsprojekt:

📍 Ausgangslage (Unternehmen mit 200 Mitarbeitenden, 24 offene Stellen pro Jahr):

  • 12% Fluktuation (24 Personen verlassen jährlich das Unternehmen)
  • 120 Tage Time-to-Hire (durchschnittliche Zeit vom ersten Kontakt bis zum ersten Arbeitstag; verursacht Produktivitätsverluste und Überlastung bestehender Teams)
  • 8.500 Euro Cost-per-Hire (Summe aus Anzeigenschaltung, Agenturkosten, Arbeitszeit HR/Führungskräfte, Onboarding-Kosten)
  • 35% der Neueinstellungen verlassen das Unternehmen binnen 24 Monaten
  • Kununu-Rating: 2,8
  • Mitarbeiterempfehlungsquote: 42%

🚀 Nach 12 Monaten strategischer Employer Branding Transformation:

  • 6% Fluktuation (Ersparnis: 180.000 Euro bei 12 weniger Abgängen)
  • 55 Tage Time-to-Hire (Produktivitätsgewinn durch 65 Tage frühere Besetzung bei 24 Stellen: 390.000 Euro)
  • 4.500 Euro Cost-per-Hire (Ersparnis durch effizienteres Recruiting: 96.000 Euro bei 24 Einstellungen)
  • 85% Retention-Rate nach 24 Monaten
  • Kununu-Rating: 4,1
  • Mitarbeiterempfehlungsquote: 68%
  • Quality of Hire: 40% mehr Bewerber:innen erfüllen die Anforderungen

ROI: 666.000 Euro Ersparnis bei einem Investment von 43.000 Euro (Beratung & Workshops: 12.000 Euro, Tool-Lizenz für 12 Monate: 11.000 Euro, Umsetzungsbudget erste Maßnahmen: 20.000 Euro).

Die unsichtbaren Gewinne: Höhere Teamproduktivität durch stabile Teams, bessere Kundenbeziehungen durch geringere Wechsel, stärkere Innovationskraft durch langfristig gebundene Experten und Expertinnen. Gerade in Krisenzeiten unbezahlbar: Das Vertrauen der Belegschaft und die Reputation am Markt.

Fazit

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und tiefgreifender Transformationen wird Employer Branding zum kritischen Erfolgsfaktor. Der Gallup Engagement Index Deutschland 2024 zeigt: Mitarbeitende mit innerlicher Kündigung verursachen hierzulande jährlich mindestens 113,1 Milliarden Euro Produktivitätsverluste. Traditionelle Ansätze funktionieren nicht mehr - gefragt ist eine ganzheitliche Strategie, die Employer Branding, Kultur, Kommunikation und Recruiting synchronisiert. Unternehmen, die jetzt in authentisches Employer Branding investieren, sichern sich nicht nur die besten Talente - sie schaffen die Grundlage für nachhaltigen Unternehmenserfolg. Denn am Ende entscheiden nicht Technologie oder Kapital über den Erfolg, sondern die Menschen, die das Unternehmen voranbringen.

Du willst deine Arbeitgebermarke überprüfen oder mehr über strategisches Employer Branding erfahren? Nina Handrup von Matchfaktor hilft dir gerne weiter.